Wie man versehentlich Künstler wird
Gezeichnet hat Wolfgang Philippi schon immer. Aber eigentlich wollte der gelernte Grafiker Archäologe werden – oder Milliardär, wie er uns im Interview erzählt. Doch er wurde dann aus Versehen Künstler. In Wuppertal geboren, an der Ostsee aufgewachsen, mit Zwischenstation in Hamburg verschlug es ihn schließlich nach Berlin. Als freier Grafiker und Trickfilmer stellte er sich zur Zeit der Finanzkrise dann in Kreuzberg ans Maybachufer auf einen Wochenmarkt. Im Gepäck: seinen „Ton Steine Scherben“-Comic und ein paar Postkarten. Dort lernte er andere Künstler kennen, besuchte daraufhin Designmärkte und -messen. Und:
„Plötzlich habe ich davon gelebt, meine Bilder zu verkaufen!“
Von Römerkrempel, Kaisergedöns und Wohlstandsmüll
So wurde der mittlerweile wieder in Wuppertal lebende Wolfgang Philippi, ganz ohne es darauf anzulegen, versehentlich Künstler. Als solcher legt er nun die Vergangenheit von deutschen und österreichischen Städten (bisher 45 an der Zahl) frei, in dem er Fundstücke historischer und prägender Ereignisse im Erdreich begräbt.
„Dabei stelle ich die Geschichte einer Stadt humorvoll
aber doch geschichtlich richtig auf einem Blatt dar.“
Mit Tusche und Feder legt er „Wohlstandsmüll, Endsiegschutt, Kaisergedöns, mittelalterliche Burgreste oder Wikinger- und Römerkrempel“ frei, wie er es selbst beschreibt. Er fördert also einen historischen Abriss zutage und bringt Stadtgeschichte aufs Papier. Seine humorvollen und lehrreichen Ein-Bild-Comics in Schwarz-weiß verkauft er in Eigenregie in seinem Shop und auf Designmessen.
2An der Oberfläche
Auf dem oberen Teil seiner Stadtplakate sind immer Sehenswürdigkeiten und markante Punkte des Stadtbildes zu sehen – in Nürnberg unter anderem die Burg, die Frauenkirche, St. Lorenz und der Schöne Brunnen.
3Darunter
Unter der Erdoberfläche gibt es die Stadt bewegende Dinge jüngster Zeit zu entdecken – hier: weihnachtlicher Christkindlkram, Drei im Weggla (Nürnberger Rostbratwürstchen im Brötchen) oder Plastikhasen á la Albrecht Dürer.
Schicht für Schicht Geschichte
Bevor Wolfgang Philippi eines seiner Stadtplakate zeichnet, kommt die Recherche: „Dazu lese ich Bücher, schaue ins Internet und frage Menschen vor Ort. Dann schreibe ich mir in chronologischer Reihenfolge auf, welche Zeiten und Ereignisse ich darstellen möchte. Mithilfe von Bildbänden, Fachbüchern und Museumsbesuchen schaue ich dann, wie Dinge und Menschen zu den Zeiten aussahen, welche Geräte es gab und welche Alltagsdinge. Die zeichne ich dann mit Tusche und Feder auf Papier, die Zeichnungen scanne ich und dann montiere ich das Plakat im Computer zusammen.“
Erstklassiges Gemecker in schwungvoller Typografie
Wolfgang Philippi entwickelt zudem politische Karikaturen, Meeresmotive und Häuserschluchten. Auch etwas andere Glückwunschkarten kann man in seinem Repertoire finden. Neben einem schwungvoll mit Tusche zu Papier gebrachtem „Frohe Weihnachten“ warten auf den Empfänger der Karte viele Hinweise auf doofe Dinge, die an Festtagen lauern: Kekse trocken, Baum schief oder kein Geschenk. Für Menschen in Meckerlaune und mit schwarzem Humor gibt’s dann auch noch das Scheiss Plakat. Beim Durchlesen kann man seinem Ärger mal so richtig Luft machen.
Über Wolfgang Philippi
Seit zehn Jahren erweitert Wolfgang Philippi nun schon seine Serie an Stadtplakaten. Darunter finden sich nicht nur große Städte, auch kleinere wie Lüneburg. Bevor er sich irgendwann daran macht, die Geschichte ausländischer Metropolen als Ein-Blatt-Comic festzuhalten, sind noch einige kleinere Städte in Deutschland dran.
Abgesehen davon plane er seine Kunstwerke nicht: „Alle anderen Motive und Ideen kommen immer irgendwann irgendwoher.“ Mit Vorliebe sind seine Tuschezeichnungen dann schwarz-weiß, witzig, intelligent und politisch. Beim Autofahren falle ihm oft was ein, gibt er zu. Inspiriert wird er aber durch Alltagsbeobachtungen, Musik, Literatur und Nachrichten.
Homepage: www.wolfgangphilippi.de
Instagram: wolfgang_philippi
Wir bedanken uns herzlich für das Interview und wünschen Wolfgang Philippi alles Gute für die Zukunft.
Bilder: Wolfgang Philippi (wolfgangphilippi.de)