Inhaltsverzeichnis des Beitrags
- Auswahl der Buchstabenpaare
- Auswahl der passenden Schriftart
- Wahl der geeigneten Schreibweise
- Übereinanderlegen der Buchstaben und Markieren
- Probieren, verwerfen, korrigieren
Zahlreiche Firmen nutzen Ambigramme bereits für ihren Markenauftritt, darunter Unternehmen wie die Deutsche Bank, der Online-Reiseanbieter opodo oder der Hersteller von Musikwiedergabegeräten Sonos. Ambigramme sind eine Sonderform der Bild-/Wortmarken. Sie finden oft als Logos Verwendung, da sie auf der Punktsymmetrie beruhen und auch nach einer 180°-Drehung noch lesbar sind. Bekannt wurden sie vor allem durch Dan Browns Bestseller-Roman „Illuminati“.
Ambigramme, die als Wortmarken verwendet werden, sollen nicht nur gut aussehen, sondern auch gut lesbar sein. Hierin besteht die besondere Herausforderung und dies ist häufig der entscheidende Knackpunkt, der besonders viel Mühe und Zeit kostet. Fertige Ambigramme sehen einfach logisch und folgerichtig aus. Für ihre Erstellung benötigt man jedoch abstraktes Denkvermögen, grafisches Talent und sollte strukturiert vorgehen.
Die einfachste Variante eines Ambigramms ergibt sich direkt aus den zur Verfügung stehenden Buchstaben eines Wortes, die weder groß verändert, noch umgestellt werden müssen. Für die Erstellung eines Ambigramms eignet sich unter Umständen ganz gut ein Palindrom. Dies ist eine Buchstabenfolge, die sowohl von vorne als auch von hinten gelesen werden kann, wie zum Beispiel „OTTO“. Wobei sich die folgende Schreibweise nur mit einer minimalen Veränderung als Ambigramm nutzen lässt: „o++o“. Schwieriger wird es bei längeren Wörtern und unterschiedlichen Buchstabenfolgen.
Die einzelnen Phasen der Ambigramm-Gestaltung
An einem einfachen Beispiel zeigen wir Ihnen, wie Sie Schritt für Schritt ein Ambigramm gestalten:
Schritt 1: Auswahl der Buchstabenpaare
Nehmen wir an, Sie möchten aus dem Namen „Peter“ ein Ambigramm werden lassen. Dazu ordnen wir erst einmal die Buchstabenpaare, die einander angeglichen werden müssen:
Im Falle von „Peter“ haben wir einen kleinen Vorteil. Denn die drei mittleren Buchstaben sind bereits identisch. Natürlich ist dies eher ein Ausnahmefall. Bei längeren oder komplizierteren Wörtern mit einer unpassenden Anzahl kann man auch direkt zwei oder mehrere Buchstaben zu einer Gruppe zusammenfassen und dann diese Gruppen einander anpassen. Für dieses Einstiegs-Tutorial in das Ambigramm-Design möchten wir es uns aber nicht noch schwerer machen! In unserem Beispiel müssen wir uns also nicht mit fünf, sondern nur mit drei Buchstabenpaaren miteinandersetzen: R und P, E und E, T und T.
Schritt 2: Auswahl der passenden Schriftart
Die Entscheidung für einen bestimmten Font hängt sowohl von der Eignung für Modifikationen als auch von unserer Intention ab. Wollen wir eine verschnörkelte oder eher eine klare Optik erzielen? Serifenlose Schriften stecken wider Erwarten manche Veränderungen besser weg als Serifenschriften oder Fraktur-Schnitte. In diesem Fall haben wir uns für die sehr klare und optisch vertraute Schriftart Univers Condensed entschieden. Sie überzeugt mit einer guten Schrift-Geometrie, einem kompaktem Charakter und einer sehr guten Lesbarkeit.
Schritt 3: Wahl der geeigneten Schreibweise
Dieser Schritt muss nicht unbedingt hinter der Wahl der Schrift verortet werden, aber auch nicht notwendigerweise davor. Schritt 2 und Schritt 3 gehen oft ineinander über. Hier ist grafisches Gespür und Erfahrung gefragt. In diesem Fall verwenden wir die geläufigste Schreibweise „Peter“ mit Majuskeln (Versalien/Großbuchstaben) und Minuskeln (Gemeinen/Kleinbuchstaben). Natürlich wären auch „PETER“, „peter“ oder „pETEr“ möglich, abhängig von der gewählten Schrift und der Idee, die bereits in unserem Kopf herumschwirrt. Eine Variante habe ich noch in Petto, dazu aber später mehr.
Schritt 4: Übereinanderlegen der Buchstaben und Markieren
Die Sortierung und Kombination der einzelnen Buchstabenpaare, hier P und r, e und e, t und t, führt zu besseren Erkenntnissen, wenn zwei verschiedene, kontrastreiche Farben verwendet werden. Hier zeigen uns Schwarz und Rot, wo angeglichen, weggelassen, gelöscht oder ergänzt werden muss.
Schritt 5: Probieren, Verwerfen, Korrigieren
Im fünften Schritt beginnt jetzt die eigentliche kreative Arbeit. Wie bei allen schöpferischen Leistungen lässt sich Ergebnis und Aufwand zum Erreichen desselben schwer vorhersagen, in der Regel überhaupt nicht. Kreativität kommt erfahrungsgemäß besser zum Zuge, wenn sie auf ihrem Weg durch entsprechende Erfahrung für unnötige Umwege zwar sensibilisiert ist, aber trotzdem nicht mit Scheuklappen geführt wird.
Bis zum endgültigen Ergebnis wurden die Buchstaben etwas zusammengeschoben, aus den Überlappungen Negativformen entwickelt, Strichstärken angeglichen, vereinfacht und immer wieder gedreht und verglichen. Schlussendlich sieht das fertige Ambigramm aus dem Wort „Peter“ dann so aus:
Die wichtigsten Modifikationen sind bereits nach dem Übereinanderlegen der Worte zu erahnen, doch erst die finalen Änderungen machen ein elegantes Ambigramm daraus. Alternativ kann man auch mit Kapitälchen arbeiten und dem Ensemble ein etwas kantigeres Aussehen verpassen:
Nachmachen erlaubt – Vorsicht Suchtgefahr!
Das „ideale“ oder „einzig mögliche“ Ambigramm gibt es nicht. Individuelle Vorlieben, der sprachliche Hintergrund und die entsprechend verfügbare Buchstabenschrift haben sehr starken Einfluss auf das Ergebnis. Ein Grund mehr, einfach einmal anzufangen und zu testen, wie weit man kommt. Aber Achtung, das Ambigramm-Design hat Suchtgefahr!
Zur Person: Der Autor dieses Tutorials, Roland Scheil, arbeitet freiberuflich als Grafik-Designer und Art Director. Studiert hat er Visuelle Kommunikation in Wiesbaden. Er ist Spezialist für Ambigramm-Design und engagiert sich dafür, dem Ambigramm mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wer mehr erfahren möchte, ist eingeladen, seiner Gruppe in Xing beizutreten. Weitere Informationen unter www.ambigramm.net.
Internationaler Tag des Ambigramms
Roland Scheil hat am 20.07.2016 den ersten Internationalen Tag des Ambigrams – auch bekannt als International Ambigram Day – ins Leben gerufen, um diese grafische Kunst der Symmetrie zu feiern. Mehr Infos gibt es unter www.ambigramm.net.
Lassen Sie sich von unserem Experten inspirieren und gestalten Sie Ihr eigenes Ambigramm! Es folgen weitere Beispiele aus der „Feder“ unseres Gastautors Roland Scheil:
© Roland Scheil www.ambigramm.design