Schriften sind Dank der Digitalisierung in Hülle und Fülle für jedermann zugänglich. Doch genau die Vielfalt macht es dem Gestalter häufig schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Dabei spielt nicht nur der Unterschied zwischen Bezahl-Schriften und Schriften für lau eine Rolle – auch andere Faktoren müssen beachtet werden, damit man die Entscheidung für eine Schrift nicht bereut. Wir haben die sechs größten Irrtümer bei der Wahl einer Schrift zusammengestellt.
Irrtümer im Überblick
- Irrtum #1: Es muss was besonderes sein
- Irrtum #2: Kreativität ist wichtiger als Lesbarkeit
- Irrtum #3: Die Quelle ist egal
- Irrtum #4: Viele Schriften mischen – je mehr, desto besser
- Irrtum #5: Kostenlos heißt für jeden Zwecks kostenlos
- Irrtum #6: Mit heruntergeladenen Schriften darf ich alles machen
1. Die Schrift muss unbedingt etwas Besonders sein!
Falsch. Natürlich ist im ersten Moment der Wunsch, etwas Besonders zu sein, nachvollziehbar. Gerade in der Werbung, aber auch in anderen Bereichen möchte man sich von der Konkurrenz absetzen, unverwechselbar sein, seiner Gestaltung eine individuelle und unverwechselbare Note verleihen. Der Gedanke ist nachvollziehbar, aber bei der Schriftwahl ist er ein schlechter Ratgeber.
In erster Linie muss eine Schrift zum Inhalt passen. Schrift ist der Träger des Inhalts, der vermittelt werden soll. Ob Ihr Griff zu einer serifenlosen Fira, zur Serifenschrift Garamond, zur serifenbetonten American Typewriter oder zur Handschrift BlackJack ausfällt, sollte davon abhängen, welche Stimmung, welche Assoziationen, welches Gefühl Sie vermitteln wollen. Ein Blick auf die Konkurrenz und deren verwendete Schriften schadet in der Werbung grundsätzlich nie und sollte bei der Entscheidung für eine Schrift mit einbezogen werden. Aber in letzter Instanz sollte immer der Inhalt der Gestaltung das letzte Wort haben.
2. Lesbarkeit ist überbewertet – kreativ soll es sein.
Falsch. Text in einer Gestaltung muss lesbar sein. Die Aufgabe einer Schrift ist, den Inhalt zu vermitteln. Je mehr Inhalt bzw. Text die Gestaltung enthält, umso relevanter ist die Rolle der Lesbarkeit. Ob eine Schriftart gut oder weniger gut lesbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Größe der Mittellängen und der Gleichmäßigkeit des Schriftbilds. Man stelle sich nur einen längeren, vielleicht mehrseitigen Text in der englischen Schreibschrift in 9 Punkt vor.
Selbstverständlich spielt die Lesbarkeit in einer Einladung zum 50. Geburtstag, auf der neben Ort und Zeit nur wenige, weitere Informationen stehen, eine geringere Rolle als bei einem mehrseitigen, textlastigen Geschäftsbericht, Magazin oder einer Broschüre. Aber auch auf der Einladung möchte man gern auf einen Blick erfassen, wann und wo die Party steigt und ob es einen Dresscode gibt. Und nein, das Interesse des Betrachters ist nicht nur vom Inhalt abhängig. Es gibt Studien, die den Zusammenhang zwischen Lesbarkeit und dem Interesse des Lesers belegen. Wählen Sie also eine Schrift, die gemessen am Inhalt so lesbar wie nötig ist.
3. Die Quelle ist egal!
Falsch. Woher die Schrift stammt, ist durchaus wichtig. Es gibt seriöse und nicht seriöse Quellen. Hin und wieder landet man bei der Schriftsuche auf Seiten, die namhafte, kostenpflichtige Schriften bis ins Detail nachahmen und ihnen einen ähnlichen Namen geben.
Natürlich gilt es hier zu unterscheiden, ob es sich um illegale Kopien handelt oder um Entwürfe einer Schrift in verschiedenen Gießereien bzw. inzwischen Schriftenhäusern angefertigt wurden – das klassische Beispiel hierfür ist die Garamond. Namhafte Künstler wie Günter Gerhard Lange, (Berthold Garamond), Robert Slimbach (Adobe Garamond) oder Edward Benguiat (ITC Garamond Handtooled), um nur ein paar zu nennen, haben ihre Version der Garamond erstellt. Doch es gibt auch unseriöse Quellen, die illegal kopierte Schriften für kleines Geld oder gar kostenlose anbieten. Meiden Sie den Einsatz solcher Schriften unbedingt.
4. Je mehr, umso besser!
Bitte nicht! Beim Einsatz von Schriften in der Gestaltung gilt explizit NICHT: Je mehr, desto besser. Unter typografischem Aspekt ist es sinnvoll, sich für eine oder für maximal zwei Schriften zu entscheiden. Doch kann man mit ein oder zwei Schriften alle Bedürfnisse innerhalb einer Gestaltung abdecken?
Ja, solange Sie bei der Wahl einer Schrift auch deren Umfang beachten. Wer umfangreichere Produkte wie zum Beispiel eine Broschüre oder einen Flyer gestaltet, ist über Variations- und Auszeichnungsmöglichkeiten froh. Mit einer Schrift, die über lediglich vier Standardschnitte (normal, fett, kursiv und kursiv-fett) oder gar nur über zwei Schnitte verfügt, ist das Auszeichnen von Überschriften, Bildunterschriften oder Zwischenüberschriften sowie das Kennzeichen von Zitaten und Interview-Texten mehr begrenzt als mit einer Schrift, die über acht oder zehn Schnitte verfügt.
Auch die enthaltenen Zeichen einer Schrift sind relevant und vom Land beziehungsweise der Sprache abhängig. Den Schriften, die von nichtdeutschen Seiten stammen, fehlen in der Regel die Umlaute, was Ihnen dann spätestens auf die Füße fällt, wenn Sie ein ä, ö oder ß benötigen. Hat man also etwas Spielraum innerhalb einer Schrift, kann man mit insgesamt zwei Schriften eine ganze Armee an Broschüren gestalten. Und das ist definitiv die bessere Entscheidung, als viele verschiedene Schriftarten zu mischen.
5. Kostenlos heißt nun mal kostenlos!
Könnte man meinen, ist aber nicht so. Viele der auf den ersten Blick kostenlos erscheinenden Schriften sind nur unter bestimmten Umständen kostenlos. Manche Schrifthäuser bieten ihre Schriften kostenlos an – unter der Voraussetzung, dass sie nur privat genutzt werden.
Für den kommerziellen Einsatz ist dann entweder eine Gebühr oder eine Spende zu entrichten. Bei manchen Schriften ist der kommerzielle Einsatz ist gänzlich verboten. Andere wiederum wünschen sich grundsätzlich eine Spende oder verbieten grundsätzlich den kommerziellen Einsatz. Beim Anbieter dafont beispielsweise stehen die Nutzungsbedingungen klar zu sehen direkt über dem Download-Button. Zudem lädt man – häufig, aber nicht immer – neben der Schriftdatei automatisch auch eine Lizenzdatei herunter, in der die Einschränkungen bzw. Nutzungsbedingungen der Schrift nachzulesen sind.
6. Wenn ich die Schrift runtergeladen habe, kann ich alles mit ihr machen!
Falsch. Auch nach der Bezahlung bei kostenlosen Schriften kann der Schriftanbieter bestimmte Vorgänge unterbinden. Dazu gehört zum Beispiel das Einbetten der Schrift in ein PDF-Dokument. Das PDF als Druckvorlage ist inzwischen Standard in den meisten Druckereien. Bei einigen, vor allem kostenlosen Schriften, ist dieses Einbetten aber technisch unterbunden, was eine Fehlermeldung beim Erstellen der PDF zur Folge hat. Solche Feinheiten lassen sich bereits vorab in den Lizenzrechten, die jeder Schriftdatei beiliegen, herauslesen. Im Notfall lässt sich die Schrift in Pfade umwandeln und als Grafik handhaben.
Auch eine eventuelle Weitergabe, Weiterbearbeitung bzw. Veränderung der Schrift ist in der Regel untersagt. Eine Weitergabe ist bei kostenpflichtigen Schriften naheliegend; häufig ist auch die Nutzung der Schrift innerhalb eines Unternehmens auf eine bestimmte Anzahl begrenzt. Bedenken Sie: Sie kaufen nicht die Schrift, sondern nur die Nutzungsrechte –vergleichbar mit einer Software, die man ebenfalls nicht kauft, sondern nur deren Benutzung.
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