Den Begriff Grauwert haben Sie sicherlich schon einmal gehört – vielleicht aber nicht in einem typografischen Kontext. Während der Grauwert nämlich in der Gestaltung und Farbenlehre die Helligkeit eines Pixels definiert, hat er für uns Typografen eine ganz andere, nicht aber weniger relevante Bedeutung. Kurz: Als typografischen Grauwert bezeichnet man die flächige, üblicherweise monochrome Hell-Dunkel-Wirkung, also den Helligkeitsdurchschnitt eines Textblocks. Wir sprechen also über die Relation von bedruckter und unbedruckter Fläche und dem daraus resultierenden, flächigen Helligkeitseindruck.

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Der subjektive Grauwert

Der optimale Grauwert setzt sich aus seiner optimalen Hell-Dunkel-Wirkung sowie aus seiner Gleichmäßigkeit zusammen. Jeder Leser kann allerdings diesen Grauwert leicht unterschiedlich empfinden – es handelt sich also um einen subjektiven Eindruck, um eine scheinbare Helligkeit. Trotzdem gibt es Eckdaten, die sich verallgemeinern lassen und die wir hier betrachten wollen.

Übrigens: Die Gefahr eines zu dunklen Grauwerts wird Ihnen in der Praxis sicherlich deutlich öfter begegnen als ein zu heller Grauwert.Beispiel: Grauwert richtig und falsch

Zwei verschiedene Grauwerte, deren Unterschied in diesem Fall durch zwei verschiedene Schriftschnitte zustande kommt. Die rechte Variante mit dem Semibold-Schnitt wirkt für längeren Lesetext zu dunkel.

Was macht der Grauwert?

Aber warum interessiert uns dieser Grauwert überhaupt? Er spielt eine relevante Rolle für die Lesbarkeit und somit dafür, ob sich Ihr Leser dem vorliegenden Text nähern mag und wie schnell er das Interesse verliert, denn letzteres hat nicht immer nur mit dem Inhalt, sondern auch mit der Optik zu tun. Entsprechend relevant ist der Grauwert allerdings auch nur, wenn wir uns um Lesetext bemühen – dann aber umso mehr. Wer als Werbeknaller eine Postkarte mit 3 Worten und 2 Bildern befüllen und damit möglichst auffallen will, muss sich – zumindest um diese Art von Lesbarkeit – keine Gedanken machen. Sein Ziel ist es nämlich aufzufallen. Wer aber längere, informierende Texte in einem Flyer, einer Broschüre oder sogar in einem Magazin oder Buch aufbereitet, sollte den Lesefluss durch einen gleichmäßigen und optimal starken Grauwert unterstützen.

Unterschiedliche Wirkung von Grauwerten

Die Zuweisung einer grau gefärbten Linie verdeutlicht die unterschiedliche Wirkung der beiden Schriftschnitte.

 Eine Prise Grauwert

Ist der optimale Grauwert also nun eine neue, geheime Zutat, mit der sich jeder kratzbürstig gestaltete Text in ein typografisches Kabinettstück verwandeln lässt? Leider nein. Letztlich ist der Grauwert lediglich eine Sammlung, die Summe von Parametern, die wir in der Reihe zur Typografie bereits angesehen haben. Dazu gehören:

  • Schriftart
  • Schriftschnitt
  • Strichstärke (Kontraste)
  • Laufweiten/Buchstabenabstände
  • Wortabstände
  • Formen/Punzen, der einzelnen Buchstaben
  • Verhältnis zwischen x-Höhe/Versalhöhe
  • Schriftgröße
  • Zeilenabstand
  • Satzbreite bzw. Zeilenbreite
  • Umfeld des Textes mit Satzspiegel (Größe der Stege und freien Räume)
  • Spaltenanzahl
  • Bilder
  • etc.

Sind all diese Faktoren aufeinander abgestimmt, entsteht ein optimaler Grauwert und eine optimale Lesbarkeit. Die letzte Herausforderung für den gleichmäßigen Grauwert stellen die Auszeichnungen dar, die wir im folgenden Artikel Typografie Teil 22 – Auszeichnungen betrachten.

Grauwert: Unterschiedlicher Zeilenabstand

Auch der Zeilenabstand trägt erheblich zum Grauwert bei.

Links die Fira Sans light in 10 Punkt mit einem Zeilenabstand von 12 Punkt (10/12). Rechts mit einem Zeilenabstand von 17 Punkt (10/17).

Optimal ist keine der beide Varianten. Links ergibt sich ein etwas zu dunkles Bild, rechts fällt der Text auseinander und der Grauwert ist zu hell.

Welcher Parameter sorgt für was?

Klar ist: Je mehr Fläche bedruckt ist, umso dunkler wird der Grauwert. Ergo dunklen alle Parameter, die für viel Farbe auf dem Papier sorgen, den Grauwert ab. Je geringer also die Laufweite, der Wortabstand, der Zeilenabstand und die Punzen, umso mehr Farbe landet auf dem Papier und umso dunkler wird der Grauwert. Für noch mehr Farbe sorgen zwei weitere Parameter: Je dicker die Strichstärke und je größer die x-Höhe, umso dunkler wird der Grauwert.

Beachten Sie aber bitte: Je heller ist nicht automatisch umso besser. Es gibt auch einen zu hellen Grauwert. Ist die Strichstärke sehr dünn und sind die Punzen und der Zeilenabstand sehr groß, fehlt es an Kontrast und der Grauwert ist zu hell, der Text „zerfällt“.

Unterschiedliche Schriftarten und Ihr Grauwert

Betrachtet man Schriften etwas genauer, kann man auch schon an nur wenigen Buchstaben vorhersehen, wie sie die Grauwirkung beeinflussen.

Die Cochin als erste in der Reihe hat zwar eine geringe x-Höhe, allerdings einen relativ dicken Strich. Sie hat somit einen aufhellenden und einen eher abdunkelnden Charakterzug und verhält sich erstmal neutral.

Die Bauer Bodoni hat ebenfalls eine nicht sehr große x-Höhe, hat aber durch ihren deutlich wechselnde Strichstärke nicht nur dicke, sondern auch sehr dünne und leicht wirkende Teilstriche. Dadurch wirkt die Schrift luftiger. In längeren Texten wird der Grauwert der Schrift dadurch nicht zu dunkel.

Die Droid Serif als Dritte im Bunde zeichnet sich durch große x-Höhen aus sowie durch einen relativ gleich bleibenden und recht dicken Strich. Bei längeren Texten kann dadurch Grauwert schnell zu dunkel werden.

Aber bitte nicht vergessen: Die Schriftart ist nur ein Faktor für die Grauwirkung.

 

Unterschiedliche Schriftgrößen und Ihr Grauwert

Strichstärke schlägt Größe.

Die Akko Rounded Std Black mit ihrem dicken Duktus dunkelt durch die großen, flächigen Bereiche mehr Fläche ab als die Cooper Hewitt light. Diese ist zwar größer, ihre Strichstärke lässt aber viel mehr Weißraum zu.

Zwei Faktoren bilden den Grauwert

Wie erkenne ich einen guten Grauwert? Der Grauwert wirkt über zwei Wege: über seine Gleichmäßigkeit sowie über seine Helligkeit. Wer also die richtige Helligkeit herausgefunden hat, sein Text aber sehr häufig von fett ausgezeichneten Worten geprägt ist, hat seinen optimalen Grauwert für einen flüssigen, gleichmäßigen Lesefluss nicht gefunden. Beispielsweise sind Nachschlagewerke wie ein Duden kein gutes Beispiel für einen optimalen Grauwert, da hier durch die verschiedenen Auszeichnungen und Unterbrechungen sowie die kurzen Zeilen keine Gleichmäßigkeit entstehen kann. In diesem Fall ist das aber auch weder nötig noch machbar, da hier andere Leseansprüche bestehen. In einem längeren Fließtext hingegen sollten Sie sehr vorsichtig sein, wenn es gilt, den Schriftschnitt oder gar die Schrift zu wechseln. Achten Sie dann auf ähnliche Strichstärken.

Wer hingegen einen sehr gleichmäßig wirkenden Text gestaltet hat, kann trotzdem am Grauwert scheitern, weil er einfach zu hell oder zu dunkel ist – bekanntermaßen durch die bereits erwähnten Faktoren. Insofern gilt: Beachten Sie beide Umstände, damit der Grauwert für die gewünschte Lesefreundlichkeit sorgen kann.

Beispiel: Auszeichnung

Die Gleichmäßigkeit des Grauwerts wird durch die fetten Auszeichnungen zerstört. 

Beispiel: Kapitälchen

Hier wurde mit Kapitälchen gearbeitet, die den gleichen Grauwert wie der des laufenden Textes aufweisen. Der Grauwert ist gleichbleibend.

Den Grauwert testen

Zu Bleisatz- bzw. Handsatzzeiten hat der Schriftsetzer ein Faksimile erstellt, um den Grauwert vorab zu testen. Dies hatte den einfachen Grund, dass man weder die Schrift, den Schriftschnitt noch die Laufweite oder den Zeilenabstand ändern konnte. Heute genießen wir den Luxus des schnellen Wechsels. Drucken Sie am besten Ihren Text oder zumindest einen Teil des Textes aus, dessen Grauwert Sie testen wollen. Kneifen Sie dann leicht die Augen zusammen, sodass das Sichtfeld unscharf wird. Den Eindruck, den Sie nun erhalten, ist der subjektive Grauwert, und Sie erkennen natürlich sofort Störfelder oder generell zu dunkel wirkende Texte.

Abhilfe schaffen

Verändern Sie die Parameter, die Sie innerhalb Ihrer Gestaltungsvorgaben ändern dürfen. Wenn beispielsweise Schrift, Größe, Zeilenabstand und Satzbreite vorgegeben sind, versuchen Sie, über die Schaltstellen Blocksatzeinstellungen und Laufweiten zu bearbeiten.

Achtung: Den Grauwert eines Textes, der für den Druck gestaltet wurde, am Monitor zu beurteilen, ist nicht mutig, sondern in den meisten Fällen unsinnig. Wer viel Erfahrung hat, kann sicherlich auch irgendwann die Monitorwirkung auf die Wirkung eines Druckerzeugnisses übertragen, aber das bedarf einer Menge Übung.

Checkliste: Ist der Grauwert zu dunkel? Versuchen Sie:

  • eine Schrift mit dünnerer Strichstärke zu finden
  • den Zeilenabstand zu erhöhen
  • die Satzbreite zu vergrößern
  • den Zwischenschlag zu vergrößern
  • die Laufweite leicht zu erhöhen (minimal)
  • die Stege zu vergrößern
  • eventuell die Anzahl von flächigen Bildern zu reduzieren