Manche Kunden warten nur darauf. Der kleinste Anlass genügt ihnen, um ihren Frust abzulassen – ob berechtigt oder nicht. Dann gibt es die Gutmütigen, für die schon einiges zusammenkommen muss, damit sie sich beschweren. Egal, mit welcher Spezies von Kunde Sie es zu tun haben, eines ist diesen gemeinsam: Mit einem professionellen Beschwerdemanagement lassen sich alle besänftigen und wandeln sich meistens in besonders treue Kunden. Und damit steigt auch die Kundenzufriedenheit wieder an.
Inhaltsverzeichnis
- Definition
- Zielsetzung
- Vorteile
- Arten des Beschwerdemanagements
- So geht’s: Beschwerdemanagementprozess einführen
Was ist Beschwerdemanagement?
Das Beschwerdemanagement ist fester Bestandteil des Customer Relationship Managements (CRM) und regelt Aufgaben und Prozesse für einen systematischen Umgang mit Kundenbeschwerden. Es wird genau festgelegt, wie mit Reklamationen und unzufriedenen Kunden umzugehen ist, welcher Mitarbeiter sich an welcher Stelle in den Prozess einschaltet.
Mit dem Ziel, gefährdete Kundenbeziehungen zu stabilisieren, überschneidet sich das Beschwerdemanagement mit anderen Bereichen des CRM wie beispielsweise Kundenrückgewinnung, Kundenbindung und Empfehlungsmarketing.
Ziele des Beschwerdemanagement
Mit einem hervorragenden Beschwerdemanagement sollen nicht nur aufgebrachte Kunden besänftigt und Schadensbegrenzung betreiben werden. Es geht zudem darum, die Gründe für die Unzufriedenheit bei den Kunden zu ermitteln und Problemlösungen zu finden, um Verbesserungen umsetzen zu können.
Die Ziele im Einzelnen:
- gefährdete Kundenbeziehungen retten
- Zufriedenheit bei betroffenen Kunden wiederherstellen
- wechselwillige Kunden wieder vom Unternehmen überzeugen
- Kundenzufriedenheit und Kundenbindung allgemein erhöhen
- negative Kommentare von Kunden vermeiden
- Erkenntnisse für weitere Optimierung gewinnen
Positive Aspekte des Beschwerdemanagements
Ähnlich wie bei Prozessen zur Kundenbindung und zur Kundenrückgewinnung wirkt sich ein gut durchgeführtes Kundenbeschwerdemanagement positiv auf die zunächst unzufriedenen Kunden aus. Daraus ergeben sich eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen.
Vorhandene Basis
Kunden, die bisher immer sehr zufrieden mit Angebot und Service waren, lassen sie sich von einem einzigen Fehler meistens nicht gleich von ihrer bevorzugten Marke abbringen. Daher muss eine Beschwerde nicht gleich bedeuten, dass ein Kunde mit dem Gedanken spielt, zu einem Mitbewerber zu wechseln. Es ist aber höchste Zeit, mal wieder die eigenen Qualitäten zu betonen. Denn der Kunde ist unzufrieden mit der aktuellen Leistung des Unternehmens, gibt mit seiner Beschwerde aber die Möglichkeit nachzubessern.
Anders als bei potenziellen Neukunden kennen Bestandskunden bereits die Vorzüge des Unternehmens. Man muss sie also zumindest in dieser Hinsicht keine Maßnahmen ergreifen und nicht mehr von sich überzeugen. Vielmehr geht es darum, mit einer schnellen Reaktion sowie einer zügigen Beschwerdeabwicklung die Pluspunkte wieder in den Fokus zu rücken.
Geringere Kosten
Es ist im Regelfall günstiger, einen unzufriedenen Bestandskunden zum Bleiben zu bewegen, als einen neuen Kunden mit Lockangeboten zu gewinnen. Wie erwähnt lässt sich im Gegensatz zu Neukunden, bei Bestandskunden auf eine gewisse Vertrauensbasis zurückgreifen. Sind zudem die Prozesse des Beschwerdemanagement gut im Unternehmen implementiert, hält sich auch der Personaleinsatz für den Beschwerdemanagamentprozess im Rahmen.
Gestärkte Kundenbindung
Kunden, deren Beschwerden ernst genommen und unverzüglich bearbeitet werden, fühlen sich wertgeschätzt. Diese honorieren die Bemühungen oft gar mit neuen Käufen beziehungsweise Aufträgen. So sorgen sie also für zusätzlichen Umsatz, der ohne die Beschwerde und deren Abwicklung nicht zustande gekommen wäre (siehe dazu auch Cross-Selling und Up-Selling).
Verbesserte Außenwirkung
Kunden, die gute Erfahrungen mit dem Beschwerdemanagement eines Unternehmens gemacht haben, teilen dies oft im Freundes- und Bekanntenkreis sowie in sozialen Medien mit. Dadurch sprechen sie – mitunter sehr direkt, aber auch indirekt – Empfehlungen für diesen Anbieter aus. Das beschert dem Unternehmen ein kundenfreundliches Image.
Im Gegenzug werden negative Kommentare im Internet oder im realen Leben vermieden, wenn das Beschwerdemanagement sofort greift. Ein Frühwarnsystem kann dafür sorgen, dass bereits Maßnahmen inkrafttreten, bevor der Kunde seinem Ärger Luft macht.
Gewonnene Erkenntnisse
Mit einem durchdachten Beschwerdemanagement gewinnen Unternehmen wichtige Erkenntnisse über die Gründe, die Unmut bei ihren Kunden auslösen. Auf diese Weise lassen sich konkrete Verbesserungen an Angebot und Service vornehmen, um künftig keinen Anlass mehr für Unzufriedenheit zu liefern.
Im Gespräch mit dem Kunden kommen oft auch Wünsche zur Sprache, welche Produkte oder Dienstleistungen noch fehlen. Nehmen Sie die geäußerten Bedürfnisse beispielsweise zum Anlass genommen, um neue Produkte in diesem Sinne zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Wer seinen Kunden genau zuhört, ist der Konkurrenz schon einen Schritt voraus.
Direktes und indirektes Beschwerdemanagement
Daraus lässt sich schließen, dass es verschiedene Prozesse im Beschwerdemanagement gibt: solche, die sich in unmittelbarem Kontakt mit dem Kunden abspielen, und solche, die sich mit den aus diesem Kontakt gewonnenen Erkenntnissen beschäftigen. Man spricht folglich von direktem und indirektem Beschwerdemanagement.
Direktes Beschwerdemanagement
Hier sind alle Prozesse zusammengefasst, die sich um Beschwerden im direkten Kontakt mit dem Kunden drehen, also um die Kundenbeschwerde an sich. Diese Prozesse folgen einer logischen Reihenfolge:
- Stimulation und Beschwerdeannahme:
Der Kunde wird aufgefordert, sich bei Unzufriedenheit an den dafür vorgesehenen Stellen im Unternehmen zu beschweren. Wobei man diese Ermunterung meist charmant verpackt. „Haben Sie Anregungen und Wünsche?“ ist so eine Formulierung, die zum Feedback auffordert oder auch „Sollten Sie einmal nicht so zufrieden sein …“. Aufforderungen dieser Art findet der Kunde im Idealfall sowohl auf der Homepage als auch in an ihn gerichteten Anschreiben. So bieten Sie den Kunden bei Unstimmigkeiten eine Anlaufstelle an, bei der ihm konkret geholfen wird. Fehlt diese, lässt er seinen Ärger woanders heraus, schlimmstenfalls in negativen Kommentaren im Internet. Deshalb sollten die Beschwerdekanäle leicht zugänglich und schnell zu finden sein.
Wichtig: Die Mitarbeiter an den Annahmestellen sollten bei digitaler Kontaktaufnahme sofort eine Antwort senden, dass man sich um das Problem kümmere, und dabei skizzieren, wie es in etwa weitergeht. Manche Unternehmen arbeiten hier auch mit konkreten Zeitangaben und geben einen Hinweis, wenn gerade mehr los ist und eine Antwort länger dauern könnte.
- Beschwerdebearbeitung und -reaktion:
Spätestens hier bewährt sich ein Prozessmanagement. Denn die Beschwerden müssen erfasst und gegebenenfalls an die entsprechende Abteilung weitergegeben werden. Der Zeitrahmen für die Bearbeitung muss vorgegeben sein, die Ausführung kontrolliert werden. Bei einem professionellen Beschwerdemanagement ist auch festgelegt, wie auf die Beschwerde reagiert werden soll und welche Problemlösung angeboten wird. Bekommt der Kunde einen Gutschein, Preisnachlass oder lediglich ein Entschuldigungsschreiben? Oder ist ein Um- beziehungsweise Austausch nötig? Gibt es dafür Vorgaben, läuft die Abwicklung um so reibungsloser und schneller ab.
Indirektes Beschwerdemanagement
Wenn die Bearbeitung der Reklamation oder Beschwerde abgeschlossen ist, geht es an die Analyse und die Auswertung. Hier wird geklärt, warum es zu der Beschwerde kam und wie man diese künftig vermeiden kann.
- Beschwerdeauswertung:
Jede Beschwerde bietet die Chance zu einer Verbesserung. Es kann sein, dass es an Produkt oder Dienstleistung einiges zu optimieren gibt oder Lücken im Angebot geschlossen werden sollten. Selbst wenn sich ein Kunde zu Unrecht beschwert, können Sie daraus nützliche Schlüsse ziehen. Eventuell gibt es ein Kommunikationsproblem.
Achtung: Dringender Handlungsbedarf ergibt sich, wenn manche Beschwerden gehäuft auftreten. Dies festzustellen zählt zur ganzheitlichen Analyse.
- Controlling:
Das Beschwerdemanagement-Controlling bezieht sich auf drei Fragestellungen:- Wie viele der Kunden, die sich nicht beschweren, sind schätzungsweise auch unzufrieden?
- Werden alle Aufgaben korrekt nach den festgelegten Standards erfüllt?
- Stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis zwischen den Aufwendungen und den Ergebnissen des Beschwerdemanagements?
- Reporting und Informationsnutzung:
Reporting beinhaltet nicht nur die Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse an die Kollegen, sondern auch die Regelung, welche Abteilungen die Informationen in welcher Weise erhalten. In der letzten Stufe des Beschwerdemanagements kommen die Informationen zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe können Produkte verbessert und Abläufe optimiert werden. Prüfen Sie auch, ob die Erkenntnisse in die Qualitätssicherung einfließen sollten.
Beschwerdemanagement im eigenen Unternehmen etablieren – so geht’s
Unzufriedene Kunden und Beschwerden können überall vorkommen – unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße. Bei einer Ein-Mann-Firma mit zwei großen Kunden erübrigt sich die Implementierung von Prozessen meistens. Allerdings ist auch hier hilfreich, sich im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, wie man mit Reklamationen oder Kundenbeschwerden umgeht. In größeren Unternehmen sorgen klare Vorgaben für geregelte Abläufe. Vor allem, wenn sich nicht alle Abteilungen in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, ist ein Beschwerdemanagement unumgänglich.
Gehen Sie am besten strukturiert vor, wenn Sie einen Beschwerdenmanagmentprozess aufsetzen:
Schritt 1: Grundlagen schaffen
Trimmen Sie Ihr Unternehmen auf Kundenorientierung. Es muss jedem Mitarbeiter klar sein, dass die Kunden im Mittelpunkt stehen und Beschwerden unverzüglich in Angriff genommen werden müssen. Jeder Angestellte muss in der Lage sein, eine Beschwerde mit der gebotenen Höflichkeit anzunehmen und weiterzugeben, selbst wenn er nicht dafür vorgesehen ist. Denn es kommt schon mal vor, dass ein erboster Kunde sich einfach den erstbesten Firmenangehörigen vorknöpft, um seinem Ärger Luft zu machen.
Sorgen Sie dafür, dass eine entsprechende Ausstattung vorhanden ist. Die involvierten Mitarbeiter müssen jederzeit Zugriffe auf alle Prozesse bekommen. Dies kann mit einer eigenen Datenbank gewährleistet werden oder mit spezieller Software für Reklamationsmanagament. Eine Auswahl davon finden Sie beispielsweise unter www.softguide.de. Zudem sollte auch die interne Kommunikation reibungslos funktionieren.
Schritt 2: Mitarbeiter schulen
Alle Beteiligten des Beschwerde-Prozesse sollten entsprechend geschult sein. Das gilt vor allem für die Mitarbeiter, die für die Beschwerdeannahme zuständig sind und besonderes Fingerspitzengefühl beweisen müssen. Da manche aufgebrachten Kunden mitunter die Ebene der Höflichkeit verlassen können, sollten die Angestellten über Grundkenntnisse in Psychologie und Deeskalation verfügen. Schulungen und Seminare bereiten auf heikle Situationen vor und zeigen, wie man geschickt damit umgeht.
Tipp: Achten Sie bereits bei Neueinstellungen für den direkten Kundenkontakt darauf, dass die künftigen Mitarbeiter generell einen ruhigen und höflichen Umgang pflegen.
Schritt 3: Prozesse einführen
Inbesondere bei häufigen Beschwerden ist es entscheidend, dass die Prozesse nahezu automatisiert ablaufen. Dafür muss alles möglichst detailgenau festgelegt werden. Wer nimmt die Beschwerden an? Wie hat das Beschwerdegespräch auszusehen? Ein Beispiel: Zuhören ist das A und O. Versuchen Sie dann den aufgebrachten Kunden zu beruhigen und zeigen Sie Verständnis für seine Situation. Bieten Sie abschließend passende Lösungen für sein spezifisches Problem an.
Legen Sie im Beschwerdemanagementprozess fest, wie die Weiterleitung an die zuständige Abteilung erfolgt und bei welchen Fällen die Unternehmensleitung informiert werden muss. Überlegen Sie sich, welche Angebote und Problemlösungen Sie Ihren Kunden wann anbieten können. Können Sie Ihren Prozess so organisieren, dass der Kunde nur einen festen Ansprechpartner hat? Klären Sie außerdem, wie die anschließende Analyse funktioniert.
Schritt 4: Kontrolle und Optimierung
Natürlich ist Vorsorge meist besser als Nachsorge, allerdings kann niemand alle Eventualitäten einkalkulieren. Deshalb ist es nicht nur nötig, die aktualisierten Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen, sondern auch die internen Abläufe von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand zu stellen. Durch Auswertungen ergeben sich so immer wieder Möglichkeiten, die Prozesse zu optimieren oder zu vereinfachen.
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