Wie so viele Trends kommt auch das Account-Based Marketing (ABM) aus den USA in unsere Gefilde. Dabei ist nicht alles, was über den großen Teich herüberschwappt, sinnvoll oder gar eins zu eins umsetzbar. Manches entpuppt sich als eher kurzfristige Erscheinung. Nicht so beim ABM: Das bringt B2B-Unternehmen entscheidende Wettbewerbsvorteile. Allerdings ist es nicht wirklich neu. Wohl aber die Möglichkeiten, die sich mit der fortschreitenden Digitalisierung ergeben.
- Was ist Account-Based Marketing?
- Wie funktioniert Account-Based Marketing?
- Für welche Unternehmen eignet sich ABM?
- Wozu Account-Based Marketing?
- ABM Schritt für Schritt
- Account-Based Marketing in der Praxis
- Hilfreiche Tools
Was ist Account-Based Marketing?
„Account“ besitzt mehrere Bedeutungen, meint in diesem Fall jedoch den Geschäftskunden. Dies können Bestandskunden sein, Leads oder Kunden, die bis dato noch keine sind, durch entsprechendes Marketing aber welche werden sollen.
Im Gegensatz zu Marketingkampagnen mit großer Reichweite richtet sich das ABM als strategisches Marketing im B2B an sehr wenige ausgewählte Adressaten, unter Umständen auch nur einen einzelnen.
Für eine passgenaue Kundenansprache arbeiten die Bereiche Marketing und Vertrieb sehr eng zusammen. Streng genommen haben wir es bei ABM auch nicht mit einer reinen Marketingstrategie zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um eine strategische Unternehmensausrichtung, bei der Marketing- und Vertriebsabteilung wie Zahnräder ineinandergreifen.
Wie funktioniert Account-Based Marketing?
Große Reichweiten bedeuten auch immer hohe Streuverluste. So erzielt eine breit angelegte (und gute) Marketingkampagne zwar zuverlässig Leads, erreicht aber auch viele der Adressaten nicht. Gerade im B2B-Bereich ist das extrem unbefriedigend.
Nun arbeiten immer mehr Unternehmen kundenorientiert und erhöhen damit ihre Chancen, von den Angesprochenen wahrgenommen zu werden. Account-Based-Marketing geht allerdings noch einen Schritt weiter: Es spricht nicht zielgruppengenau an, sondern individuell. Das heißt: Das B2B-Unternehmen wählt zunächst den gewünschten Kunden aus und gestaltet daraufhin eine passende Kampagne.
Diese ist nicht nur auf das Zielunternehmen, sondern die Zielperson(en) ausgerichtet. Denn es geht nicht darum, die komplette Belegschaft des anvisierten Unternehmens für sich zu gewinnen. Vielmehr hat ABM die Aufgabe, die jeweiligen Entscheider innerhalb dieser Unternehmen zu überzeugen. Die Arbeitsteilung dabei sieht normalerweise so aus: Der Vertrieb kennt die Zielpersonen sowie deren Vorstellungen und Befindlichkeiten. Das Marketing übernimmt Ausgestaltung und Umsetzung der Kampagne.
Für welche Unternehmen eignet sich ABM?
Grundsätzlich profitiert jedes B2B-Unternehmen von Account-Based Marketing. Dabei hat natürlich das zweiköpfige Start-up-Team nicht die gleichen Möglichkeiten wie ein Konzern, kann aber mit anderen Mitteln und in einer anderen Größenordnung ähnlich strategisch-zielgerichtet vorgehen. Denn für eine erfolgreiche Kundenansprache braucht es nicht unbedingt eine komplette Vertriebsabteilung und ein riesiges Marketing-Team.
Sinnvoll ist Account-Based Marketing in erster Linie für Unternehmen mit erklärungsbedürftigen Produkten, professionellen Dienstleistungen, sehr speziellen Kundengruppen, Kunden mit langen Entscheidungsprozessen oder wenigen Großkunden. Da sich die Kampagnen extrem aufwendig gestalten, kommen sie beispielsweise für Anbieter von niedrigpreisigen Verbrauchsgütern weniger infrage. Aber auch hier kann es sich lohnen, Großabnehmer gesondert anzusprechen.
Wozu Account-Based Marketing?
Die Frage scheint berechtigt, erzielte man doch mit den bisherigen Marketingaktivitäten auch zuverlässig Leads und auch Neukunden. Das mag richtig sein. Allerdings wird Account Based Marketing weitaus bessere Erfolge zeigen und in einem sich stetig verschärfenden Wettbewerb unter Umständen sogar extistenzentscheidend sein.
Marktsituation
Sofern Sie nicht ein Nischenprodukt anbieten, dass Ihre Kunden nirgendwo anders bekommen, sehen Sie sich vermutlich starker Konkurrenz ausgesetzt. Globalisierung und Digitalisierung sorgen für immer mehr Mitbewerber, so dass wir es nahezu in allen Branchen mit ausgesprochenen Käufermärkten zu tun haben.
Da genügt es selbstredend nicht, nur Schritt zu halten. Sie müssen Alleinstellungsmerkmale schaffen und kommunizieren. Gerade das funktioniert mit Account Based Marketing hervorragend. Der Vertrieb tüftelt maßgeschneiderte Lösungen für die jeweiligen Kunden aus. Da die Marketingkampagne ebenso passgenau abgestimmt wird, lassen sich die Vorzüge des eigenen Unternehmens ohne Streuverluste ins rechte Licht setzen.
Kundenansprüche
Die Kundenansprüche sind heute hoch und wachsen immer weiter. Das hat dreierlei Gründe. Zum einen macht es das Internet leicht, sich umfassend über nahezu jedes Produkt und die dazugehörenden Märkte zu informieren und sich in Foren und sozialen Medien mit anderen Nutzern auszutauschen. Wer einmal in einem schlechten Ruf steht, muss große Anstrengungen unternehmen, um wieder Fuß zu fassen.
Das heißt, die Kunden sind gut informiert über den Markt und seine Angebote. Und sie wissen auch, dass sich die Anbieter um sie bemühen. Diese komfortable Situation schraubt die Kundenansprüche in weitere Höhen. Um so wichtiger ist es, die Bedürfnisse der Kunden genau zu analysieren. Auf diese Weise können Sie die Kundenwünsche exakt bedienen, ohne wirklich in allen Punkten die Mitbewerber übertrumpfen zu müssen.
Zum anderen sehen sich im B2B Ihre Kunden dem gleichen Marktdruck ausgesetzt wie Sie selbst: Sie müssen im stetig wachsenden Wettbewerb bestehen. Mit Account-Based Marketing können Sie Ihren Kunden ganz direkt verdeutlichen, dass Sie deren Business verstehen und passende Lösungen dafür im Portfolio haben.
Drittens müssen Sie bedenken, dass Sie bei größeren Unternehmen nicht nur eine Zielperson ansprechen, sondern gleich ein ganzes Entscheidergremium. In dem sitzen Leute mit unterschiedlichen Hintergründen: technisch, betriebswirtschaftlich, administrativ, unter Umständen auch kreativ. Ebenso unterschiedlich sind die Anforderungen. Denen können Sie mit einer nur auf ein Unternehmen zugeschnittenen Kampagne wesentlich differenzierter begegnen als im Inbound-Marketing.
ABM Schritt für Schritt
Am Beginn steht die Frage, ob Account-Based Marketing für Ihr Unternehmen sinnvoll oder gar nötig ist. Eine besonders wichtige Rolle spielt ABM bei Unternehmen, die nur von wenigen großen Kunden oder im Extremfall nur von einem einzigen Kunden leben. Die geringe Anzahl macht es gleichermaßen erforderlich, aber auch vergleichsweise leicht, den Ansprüchen der Kunden zu begegnen.
Ein weiterer Punkt ist die Kostenfrage. Account-Based Marketing ist teurer und personalintensiver als Inbound Marketing. Dafür gibt es bei einer gut durchdachten Ausführung kaum Streuverluste, so dass der ROI letztlich höher ausfällt als bei anderen Marketingkampagnen.
Unbedingt im Vorfeld klären sollte man auch, welche Mitarbeiter welche Aufgaben übernehmen und wie die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen, inbesondere Marketing und Vertrieb, organisiert werden soll.
Ist-Analyse und Zielformulierung
Bevor Sie mit ABM starten, sollten Sie Ihr Unternehmen unter die Lupe nehmen: Wie ist es aufgestellt? Welche Schwächen/Stärken/Alleinstellungsmerkmale gibt es? Sollen Bestandskunden enger gebunden, Leads gewandelt oder Neukunden gewonnen werden? Sind die Voraussetzungen zur Erreichung dieser Ziele gegeben? Wenn nicht, ist jetzt der richtige Zeitpunkt um nachzujustieren.
Accounts bestimmen
Nachdem Sie geklärt haben, was Sie erreichen wollen, geht es nun darum, wen Sie erreichen wollen. Haben Sie nur einen Kunden, den Sie enger an sich binden möchten, gibt es quasi keine Entscheidung zu treffen. Das Zielobjekt ist klar.
Stehen mehrere Accounts zur Wahl? Geht es um Bestandskunden, können Sie im Normalfall bereits auf das nötige Wissen zugreifen: Sie wissen, welche Kunden besonders großen Umsatz bringen oder aus anderen Gründen für Ihr Unternehmen lukrativ sind. Wichtig für die Entscheidung ist vor allem, welchen Deckungsbeitrag Sie in Zukunft von diesen Kunden erwarten.
Für potenzielle Neukunden sollten Sie die Marktkenntnisse Ihres Vertriebs, Einkaufs oder Kundendienstes nutzen. Bei kleinen Unternehmen forscht die Geschäftsführung selbst oder im Team, welche Unternehmen als Kunden infragekommen.
Ziel-Accounts analysieren
Ist die Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen oder mehrere gefallen, steht eine ausführliche Analyse auf dem Programm. Wenn möglich arbeiten hier gemischte Teams, um Informationen aus allen relevanten Bereichen zu sammeln:
- Wie behauptet sich der Ziel-Account im Markt?
- Mit welchen Problemen kämpft er derzeit?
- Welche Probleme erwarten ihn in Zukunft?
- Wie sehen unsere Lösungen dafür aus?
- Wo steht der Ziel-Account in der Costumer Journey?
- Wie können wir welche Touchpoints besetzen?
- Wer ist am Entscheidungsprozess im Ziel-Unternehmen beteiligt?
- Wie ticken diese Entscheider?
- Welche Wettbewerbsvorteile können wir bei diesem Ziel-Account einbringen?
- Können wir unsere Stärken/USPs zielführend kommunizieren?
Wissen bedeutet hier wirklich Macht. Denn über je mehr Informationen Sie verfügen, desto passgenauer können Sie Ihren Ziel-Account ansprechen und sich womöglich gegen Ihre Mitbewerber abgrenzen.
Kampagne ausarbeiten
Mit den gesammelten Informationen liegt die Basis für die Kampagne vor. Möchten Sie mehrere Unternehmen ansprechen oder haben Sie es in einem Unternehmen mit vielen Entscheidungsträgern zu tun, können Buyer Personas sinnvoll sein. Diese helfen vor allem, wenn die Kampagne in größeren Teams diskutiert und ausgearbeitet wird. Mehr Informationen dazu lesen Sie in Personas erstellen mit System.
Unter dem Aspekt, was für Ihr Unternehmen machbar ist, entwickeln Sie passenden Content für die ermittelten Touchpoints und die Interessen der Zielpersonen.
Achten Sie darauf, Ihre Kampagne zu personalisieren, also wirklich auf das Zielunternehmen zuzuschneiden. Dabei sind auch Kreativität und der Mut, neue Wege zu beschreiten, gefragt.
Kanäle auswählen
Die Kanäle hängen von den gewählten Maßnahmen, Inhalten und selbstverständlich von den Accounts ab. Während viele Entscheider eine unkomplizierte Ansprache und schnelle Interaktionsmöglichkeiten über das Internet schätzen, sind womöglich Vertreter in konservativeren Branchen besser über gedruckten Content zu erreichen. Auch hier zahlt es sich aus, Unternehmen, Entscheider und Marktumfeld möglichst gut zu kennen.
Erfolgskontrolle durchführen
Spätestens zum Abschluss einer Kampagne, aber am besten immer wieder zwischendurch, sollten Sie Ihre Maßnahmen einer Erfolgskontrolle unterziehen. So lässt sich im Bedarfsfall bei einzelnen Maßnahmen nachbessern oder beim Ausbleiben von Ergebnissen die Kampagne vorzeitig abbrechen. Eine ausführliche Abschlussanalyse hilft enorm bei zukünftigen ABM-Aktionen.
Account-Based Marketing in der Praxis
Welche Maßnahmen und Aktionen kommen beim ABM infrage? Im Grunde alles, was Sie bisher bereits im Marketing genutzt haben. Logischerweise kann es nicht schaden, auch Neues in Betracht zu ziehen. Werfen wir einen Blick in den Marketing-Werkzeugkasten:
Direktes Gespräch
Bei Bestandskunden ist dies eines der wirkungsvollsten Möglichkeiten, gewünschte Inhalte an den Adressaten zu bringen. Ausgeklügelt werden die abteilungsübergreifend, die Ausführung übernehmen die Mitarbeiter mit Kundenkontakt.
Der Kanal weckt kaum noch Begeisterungsstürme, eignet sich aber immer noch sehr gut zur gezielten Kontaktaufnahme. Entscheidend dabei ist, dass Sie bereits im Betreff Ihren Ansprechpartner ködern. Am besten gelingt das, indem Sie hier gleich sein aktuelles Problem oder Bedürfnis zur Sprache bringen und eine Lösung dafür andeuten. Ihr Schreiben muss unter der Masse im Posteingang hervorstechen.
Erläutern Sie im weiteren Text, wie Sie helfen können und bieten Sie ein niedrigschwelliges Kontaktangebot, zum Beispiel einen Link zu einer Unterseite Ihres Webauftritts:
Internetauftritt
Ihre Webseite gestalten Unternehmen so, dass sie ihre (künftigen) Kunden anspricht. Dies funktioniert um so besser, wenn man das im wahrsten Sinne des Wortes tut: ansprechen. Personalisierung heißt hier das Zauberwort. Große Online-Shops beispielsweise begrüßen ihre Bestandskunden namentlich und machen Vorschläge auf Basis bereits getätigter Käufe.
Das geschieht automatisiert. Beim ABM können Sie hingegen viel gezielter und damit noch persönlicher auf Ihre Accounts eingehen, da Sie sich ja nur an wenige oder nur an einen einzelnen richten. Mit einer personalisierten Landingpage holen Sie Ihren Kunden ab und führen ihn in die gewünschte Richtung.
Print-Mailing
In Zeiten von E-Mails und Messengern bekommt Gedrucktes mehr Aufmerksamkeit (lesen Sie dazu auch Print-Mailing im Aufwind). Was bei einer Massenaussendung schon Eindruck schindet, kann im ABM noch viel bemerkenswerter ausfallen. Da Sie nur wenige ansprechen, muss es hier nicht der kostengünstige DIN-Brief sein.
Wer nicht auf das Porto und weitere Kosten achten muss, kann auf auffallende Sonderformate zugreifen oder gleich ein Päckchen schicken. So kommt die Einladung zum Firmen-Event in Kombination mit einer Flasche Wein, die Problemlösungen für die Restaurantkette werden auf einer Speisekarte dargestellt und die Präsentation eines neuen Nutzfahrzeugs wird mit einem Miniaturmodell desselben versandt.
Veranstaltungen
Wir haben sie bereits angesprochen. Im Zeichen von ABM laden Sie zu Events wesentlich selektiver ein als zu herkömmlichen Firmenveranstaltungen – und sie gestalten diese auch inhaltlich passend. Organisieren Sie Ihre Ziel-Accounts Informationsabende, bieten Sie Seminare bei erklärungsbedürftigen Produkten oder planen Sie ein festliches Essen nur für die Entscheider.
Informationsmaterial
Broschüren und Flyer halten meist nur allgemeine Informationen bereit. Bei lukrativen Ziel-Accounts kann es sich lohnen, eigene Materialien zu erstellen, die exakt auf deren Anforderungen zugeschnitten sind. Broschüren können im Onlinedruck auch in kleiner Stückzahl kostengünstig bestellt werden.
Sie können dabei auf Vorhandenes zurückgreifen, das sich entsprechend personalisieren lässt. Interessant für B2B sind natürlich auch Whitepaper. Bereits vorliegende können je nach Anforderung ergänzt, gekürzt oder präzisiert werden. Unter Umständen ist es auch sinnvoll, eigens für einen besonderen Kunden ein Whitepaper überhaupt erst zu erstellen. Dies lässt sich später für weitere Kunden abändern.
Hilfreiche Tools
Es gibt jede Menge Software, die Planung und Umsetzung von ABM-Strategien unterstützen. Zu den meistgenutzten englischsprachigen Tools zählen beispielsweise Bombora und Terminus. Ein deutschsprachiges Angebot gibt es unter anderem von HubSpot, das besonders die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb fördert. Zur Suche von potenziellen Neukunden finden sich spezialisierte B2B-Datenbanken wie beispielsweise Echobot.
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