Der senkrechte Strich wird auch gern als Pipe bezeichnet; andere verwenden die englische Bezeichnung „vertical bar“ oder „vertikal line“. Es handelt sich also um einen Strich, der senkrecht auf die Schriftlinie trifft. Häufig entspricht die Höhe des Strichs einem Geviert, und auch der Stand ragt leicht über die Oberlänge bzw. die Versalhöhe sowie über die Unterlänge hinaus. Man findet aber genauso Schriften, bei denen als senkrechter Strich eine deutlich kürzere Linie verwendet wurde.
Als senkrechter Strich in der Welt der Gestaltung
Der senkrechte Strich wird als optisches Trennzeichen verwendet. In Nachschlagewerken kennzeichnet er beispielsweise die Trennung von dem Begriff und dem folgenden Erklärtext. Er kann also dort zum Einsatz kommen, wo kein Platz für einen Absatz beziehungsweise für eine Zeilenwechsel gegeben ist. Auch ein Seitenwechsel kann mit dem senkrechten Strich gekennzeichnet sein.
Wer ein paar wenige Begriffe, die in einer Zeile stehen, voneinander trennen will, kann ebenfalls die Pipe einsetzen. Hier stellt der senkrechte Strich eine Alternative zum Punkt auf Mitte dar. Im Vergleich zum Punkt auf Mitte fällt er durch seine Größe etwas mehr ins Auge, fügt sich aber trotzdem harmonisch ins Schriftbild ein. Manche Gestalter verwenden ihn auch bei der Gliederung von Telefonnummern. Auch für das Kennzeichen von Wortfugen wird der senkrechte Strich gern verwendet.
Schlussendlich lässt er sich auch als schmückendes Gestaltungselement bei der Arbeit mit Schrift verwenden. Besonders in der Logogestaltung begegnet man ihm immer wieder.
Senkrechter Strich aus der Mathematik und EDV
Als Designelement gern genommen und häufig gesehen, stammt der senkrechte Strich ursprünglich aus der EDV und der Mathematik. Von dort stammt übrigens auch die Bezeichnung Pipe, die sich aber auch in der Gestaltungswelt etabliert hat. In der EDV ist die Bezeichnung Verkettungszeichen üblich. Er kommt beim Teilen von Zahlen, für eine Funktionsauswertung oder bei Mengenangaben zum Einsatz. Auch ein unterbrochener senkrechter Strich oder der Einsatz von einem Paar von senkrechten Strichen (häufig mit der Bedeutung oder) ist im Bereich der Mathematik üblich. Da der senkrechte Strich als mathematisches Symbol ursprünglich in normalen Texten nicht zum Einsatz kommt, zählt er auch nicht zu den Interpunktionszeichen – und fehlt auch bei einigen Schriften gänzlich.
Augen auf beim Einsatz des senkrechten Strichs
In bestimmten Fällen und vor allem je nach Schrift besteht Verwechslungsgefahr. Wenn mit wenig Raum gearbeitet werden kann oder bei serifenlosen Schriften kann der senkrechte Strich auch mit einem „l“ oder dem großen „I“ verwechselt werden. Damit die optische Teilung mit dem senkrechten Strich also auch als solches erkannt wird, ist ein Gefühl für die richtige Schrift, aber auch die Verwendung von Abständen unabdingbar. Besonders bei Schreibschriften und auch bei Kursiven kann es passieren, dass der Strich künstlich wirkt und sich nicht harmonisch in das Schriftbild einfügt.
Setzt man also die Pipe als optische Trennung ein, empfiehlt sich, vor und nach der Pipe einen Raum einzufügen. Dieser sollte deutlich größer ist als ein Wortzwischenraum. Häufig ist ein Halbgeviert eine gute Wahl. Manchmal entscheiden sogar die verwendeten Buchstaben bzw. Zeichen, ob der senkrechte Strich die geeignete Wahl ist.
Sind zusätzliche Abstände keine Option wie zum Beispiel beim Einsatz bei Silbentrennungen, muss der Gestalter in jedem Fall mit einer geeigneten Schrift arbeiten.
Fazit: Alles ist möglich
Das senkrechte Linienelement hat sich als ein beliebtes und häufig sehr elegantes Trennungszeichen etabliert. Allerdings braucht der Gestalter für den Einsatz das nötige typografische Feingefühl. Hier gilt es, das Zeichen im optischen Kontext zu beurteilen. Stimmen Größe und Schrift? Setzt sich das Zeichen genug ab? Kann es hier eine Trennung symbolisieren? Oder führt es eher zu Verwechslungen? Fragen, die man in jedem Fall berücksichtigen und beantworten sollte, bevor man mit dem gut gemeinten Pipe die Lesbarkeit und die Erkennbarkeit erschwert statt verbessert.
Tastatur
Um den senkrechten Strich zu tasten, drückt man:
- auf dem Macintosh: Alt + 7
- unter Windows: Alt-Gr + <
Weitere Schreibregeln in der Mikrotypografie:
Teil 1: Mikrotypografie: Grundlagen der Schreibregeln
Teil 2: Gedankenstrich
Teil 3: Anführungszeichen
Teil 4: Apostroph
Teil 5: Semikolon
Teil 6: Klammer
Teil 7: at-Zeichen
Teil 8: Scharfe S
Teil 9: Fragezeichen
Teil 10: Ausrufezeichen
Teil 11: Paragrafenzeichen
Teil 12: Copyright-Zeichen
Teil 13: Komma
Teil 14: Gradzeichen
Teil 15: Leerzeichen
Teil 16: Senkrechter Strich (dieser Artikel)
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