Sie kennen diese anmutig wirkenden Ziffern, denen man immer mal wieder im Fließtext begegnet? Sie wirken leicht und dynamisch und fügen sich harmonisch in das Schriftbild von laufendem Text ein. Beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass diese Ziffern wie Kleinbuchstaben Ober- und Unterlängen aufweisen. Man nennt sie Mediävalziffern.

Beispiel Mediävalziffern

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Die elegante Mediävalziffer

Die Mediävalziffern heißen übrigens auch gemeine Ziffern, Minuskelziffern oder Charakterziffern. Der Begriff Charakterziffern ist selbsterklärend, aber auch die beiden anderen Begriffen sind schnell einleuchtend: in der Typografie bezeichnet man Kleinbuchstaben auch als Gemeine oder Minuskel. Somit ist also die Mediävalziffer nichts anderes als eine Kleinbuchstabenziffer, die genauso wie ein Kleinbuchstabe Ober- und Unterlängen aufweisen kann und durch ihren dynamischen Charakter den Leserythmus von Fließtext nicht stört. Insofern stellen diese Ziffern eine Bereicherung in der Typografie dar und erfreuen jeden schriftaffinen Gestalter – spätestens dann, wenn mit Kapitälchen gearbeitet wird. Übrigens gibt es auch für die Bruchziffern häufig Mediävalvarianten.

Das Pendant der Mediävalziffer ist – kaum überraschend – die Großbuchstabenziffer oder auch Majuskelziffer. Mit diesen Ziffern arbeiten wir meistens, da diese im Gegensatz zu den Mediävalziffern als Standard in jeder Schrift enthalten sind.

Im Beispiel oben die Minion Pro mit Mediävalziffern; Sie sehen im Vierliniensystem, wie die 3, 4 und 5 unter die Schriftlinie ragen, die 6 und die 8 hingegen weisen Oberlängen auf etc. Darunter ist die Linotype Syntax zu sehen, deren Ziffern ausschließlich aus Versalziffern bestehen. Als drittes Beispiel ist die Fira Sans zu sehen, die ebenfalls Mediävalziffern enthält. Die Ober- und Unterlängen entsprechen übrigens nicht zwingend exakt den Ober- und Unterlängengrößen der Buchstaben.

Wie komme ich an die Mediävalziffern?

Leider verfügen aber nicht alle Schriften über solch erweiterte Zeichen und typografische Rafinessen. Auch wenn OpenType-Schriften mit ihrer speziellen Zeichenadressierung mehr als 256 Zeichen enthalten können, zeigen sich auch Schriften in diesem Format nicht immer mit Mediävalziffern. Tatsächlich entscheidet jeder Schriftdesigner selbst darüber, ob er seine OpenType-Schrift mit den Ziffern ausstattet. Vereinzelt gibt es auch Schriften, deren Mediävalziffern in einem separaten Schnitt verpackt sind.

Die Breite von Ziffern

Neben der Einteilung in gemeine Ziffern und Großbuchstabenziffern unterscheiden sich Ziffern in ihrer Breite. Bei proportionalen Schriften weisen alle Buchstaben – und auch alle Zahlen –unterschiedliche Breiten bzw. Dickten auf. Im Gegensatz dazu sind bei den nichtproportionalen Schriften (oder dicktegleiche Schriften) wie der Andale Mono oder der Courier jeder Buchstabe die gleiche Dickte.

Für Ziffern gilt die gleiche Begrifflichkeit. Es gibt also nichtproportionale Ziffern, bei denen jede Ziffer die gleiche Dickte aufweist, und es gibt proportionale Ziffern, bei denen die 1 deutlich schmaler ist als die 0. Proportionale Fonts sind häufig mit beiden Arten von Zahlen ausgestattet, also mit proportionalen Buchstaben sowie mit proportionalen und unproportionalen Zahlen, den sogenannten Tabellenziffern. Und das ist auch gut so, denn in der Praxis sehen wir, dass beide ihre Berechtigung haben.

Majuskelziffer – Großbuchstabenziffer

Minuskelziffer – Kleinbuchstabenziffer mit Ober- und Unterlängen – Mediävalziffer

Tabellenziffern (dicktengleich bzw. nichtproportional) entweder:
1. Großbuchstabenziffer (nichtproportionale Majuskelziffer)
2. Mediävalziffer (nichtproportionale Minuskelziffern)

Vergleich: normale Ziffern und Mediävalziffern

Wann setze ich die Mediävalziffer ein und wann die anderen Ziffern?

Wie gerade gehört, fügen sich die – in diesem Fall proportionalen – Mediävalziffern also durch ihre Ober- und Unterlängen harmonisch in einen Fließtext ein. Haben Sie einen längeren Text, in dem immer wieder Zahlen auftauchen, wie zum Beispiel in einem Geschäftsbericht, sind sie die erste Wahl. Hingegen würden Versalziffern – übrigens genauso wie Worte in reinen Versalbuchstaben – den Grauwert des Fließtextes unterbrechen.

Scheuen Sie sich aber nicht, beide Ziffernarten miteinander zu mischen. Um beim Beispiel des Geschäftsberichts zu bleiben: In Tabellen und Zahlenlisten sind die Versalziffern – und besser noch, die dicktengleichen Versalziffern, also die Tabellenziffern – immer noch die erste Wahl. Auch für Aufzählungen, dem Formelsatz und andere spezielle, mathematische Bereiche sind die Mediävalziffern nicht geeignet. Sie können also getrost beide Zahlenarten in einer Gestaltung mischen, da beide Arten ihre Berechtigung und ihre Vorteile haben.

Tipp: Leider verfügen nicht alle Schriften über Mediävalziffern, und auch die Tabellenziffern sind nicht überall greifbar. Wer also entscheiden darf, zu welcher Schrift er greift, sollte zuvor abklären, ob die Verfügbarkeit der Ziffern eine wichtige Rolle in der Gestaltung spielt und gegebenenfalls seine Wahl anpassen.

Mediävalziffern auswählen in InDesign

Woher weiß ich nun, ob meine Schrift über das typografische Extra verfügt? In InDesign können Sie das recht leicht überprüfen, unter anderem mithilfe des Fensters Zeichen. Markieren Sie den Text und wählen Sie im Ausklappmenü das Fenster Zeichen und den Befehl OpenType. Daraufhin klappt ein weiteres Menü auf. Ganz unten finden Sie fünf verschiedene Bezeichnungen von Ziffern wie zum Beispiel auch Proportionale Mediävalziffern. Werden die Bezeichnungen in eckigen Klammern angezeigt, sind sie in der gewählten Schrift schlicht nicht vorhanden. Weisen die Bezeichnungen keine Klammern auf, enthält die Schrift die jeweilige Ziffernart und Sie können Sie unter anderem hierüber auswählen.

In der oberen Abbildung zu sehen: die Glober, die nicht über die erweiterten Ziffernarten verfügt. Die Bezeichnungen sind in eckigen Klammern dargestellt.

Darunter die Adobe Caslon Pro, bei der die alternativen Ziffernarten ohne Klammern dargestellt werden.

Über das Fenster Glyphen können Sie auch einzelne, spezielle Ziffern heraussuchen und in Ihren Text einfügen. Lassen Sie sich dazu nur die Ziffern einblenden, die Sie gerade benötigen. Dazu finden Sie im oberen Teil des Fensters bei Einblenden die verschiedenen Kategorien wie Mediävalziffern, Proportionale Zahlen oder Tabellarische Zahlen.

InDesign: Mediävalziffern via Glyphen

Das Fenster Glyphen bietet über das Einblenden die Möglichkeit, nur die gewünschten Ziffernarten einzublenden.