Teil 1: Typografie – Grundlagen
Teil 2: Typografie – Geviert und Kegel
Teil 3: Typografie – Dickte
Teil 4: Typografie – Serifen
Teil 5: Typografie – Punzen
Teil 6: Typografie – Ligaturen (dieser Artikel)
Teil 7: Typografie – Glyphen
Teil 8: Typografie – Laufweite
Teil 9: Typografie – Kapitälchen
Teil 10: Typografie – Versalien
Teil 11: Typografie – Zeilenabstand
Teil 12: Typografie – Registerhaltigkeit
Teil 13: Typografie – Textausrichtung und Zeilenlänge
Teil 14: Typografie – Blocksatz
Teil 15: Typografie – Einzug
Teil 16: Typografie – Initial
Teil 17: Typografie – Hurenkind/Witwe
Teil 18: Typografie – Schusterjunge
Nach Serifen und Punzen, widmen wir uns im sechsten Teil unserer Typografie-Reihe den Ligaturen. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und leitet sich von „ligare“ ab. Es bedeutet [fest]binden bzw. [ver-]binden. Bei einer Ligatur wird also etwas verbunden. In der Typografie versteht man den Verbund oder die Verschmelzung von zwei oder mehreren Buchstaben zu einer Glyphe* als Ligatur.
Ligaturen und daraus resultierende Glyphen sind nicht neu, sondern kamen bereits beim Bleisatz vor Hunderten von Jahren zum Einsatz. Damals wurden zwei oder mehrere Zeichen auf einem Bleikegel platziert, heute lässt sich das Vorgehen ganz einfach auf den digitalen Satz übertragen.
*Was ist eine Glyphe? Das optische Erscheinungsbild eines Schriftzeichens wird auch als Glyphe bezeichnet. Innerhalb einer Schriftfamilie kann ein Schriftzeichen wie etwa der Buchstabe Z auch durch verschiedene Glyphen dargestellt werden.
Ligaturen müssen sich nicht berühren
Häufig geht man davon aus, dass sich die Buchstaben bei einer Ligatur immer berühren bzw. optisch miteinander verschmolzen sind. Das ist nicht immer der Fall, denn es gibt auch Ligaturen aus Zeichen, die weniger Interesse nach Nähe haben. Hier berühren sich die Zeichen nicht, sondern sie bilden nur technisch gesehen eine Einheit. Das bedeutet gleichzeitig, dass sich grundsätzlich die Abstände zwischen den Zeichen, die eine Glyphe bilden, nicht verändern lassen.
Die klassischen Ligaturen sind die Kleinbuchstabenkombinationen wie fi, ff, fl, ffi oder fj. Bei den gebrochenen Schriften finden sich weitere Ligaturen, zum Beispiel das ch oder das tz, die aber wiederum bei gesperrtem Text nicht aufgelöst werden.
Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von Ligaturen
Wir wissen jetzt, was Ligaturen sind und wie diese aussehen. Stellt sich die Frage: Wann und wie verwendet man sie sinnvoll? Und gibt es auch Fälle, in denen man bewusst keine Ligaturen benutzt?
Für ein harmonisches Ganzes
Manche Buchstabenkombinationen wirken harmonischer, wenn zwei Zeichen zu einem verschmelzen. Ein gutes Beispiel ist die Kombination fi. Je nach Rundung der f-Schulter und Höhe des i-Punktes berühren sich die beiden so halb oder dreiviertel oder gerade eben nicht. Ein Fall für die Ligatur: Denn die fi-Ligatur hebt diese Problematik auf, indem die beiden Buchstaben ganz bewusst miteinander verbunden werden. Alternativ gibt es Ligaturen, bei denen die f-Schulter verändert wurde – ebenfalls eine Ligatur, bei der sich die beiden Buchstaben aber nicht berühren.
Ob sich die Lesbarkeit eines Textes allein durch Ligaturen tatsächlich verbessert, ist strittig. Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Ob sich eine Schrift bzw. ein Text gut lesen lässt, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu zählen die Schriftgröße, die Farbe bzw. der Kontrast, die Zeichenform, die Strichstärke, die Buchstabenbreite, die x-Höhe, die Laufweite und der Grauwert – und im Zweifelsfall auch der Einsatz von Ligaturen an sinnvollen Stellen.
Als dekorative Akzente
Schmuckligaturen haben einen rein schmückenden Charakter und finden sich vor allem bei Schreib- und Schmuckschriften, aber auch bei Antiquas. Diese sogenannten bedingten Ligaturen lassen sich über die OpenType-Funktionen der Programme an- und abwählen. Häufig heißt es aber hier: weniger ist mehr. Verwenden Sie also die schmückenden Ligaturen sparsam und mit wachem, typografischen Auge.
Bei der Schriftart EB Garamond sind im Schriftschnitt „regular“ bei fi, ff oder ffi keine Ligaturen vorhanden – im kursiven Schnitt gibt es dagegen welche. Interessant ist, dass sich bei den Buchstabenkombinationen, die für die bedingten Ligaturen in Frage kommen, etwas getan hat: Die Abstände zwischen ck und ch sind deutlich verringert.
Manchmal auch ein Muss
Die Gelehrten sind sich nicht einig, wie das „ß“ wirklich entstanden ist. Eine Theorie ist allerdings, dass es sich um eine Verschmelzung des langen „s“ und des „z“ handelt. Unabhängig davon wird nicht nach der Optik entschieden, ob wir ein „s“ oder ein „ß“ verwenden, sondern nach den Regeln der deutschen (und österreichischen) Orthografie: Bei kurzem Vokal sind „ss“ angesagt (Tasse, Schüssel), bei langem Vokal das „ß“ (Straße, Fuß). Übrigens ist auch das Ampersand-Zeichen – auch bekannt als das kaufmännische Und-Zeichen, das & – eine Ligatur. Es ist ursprünglich aus dem „E“ und dem „t“ entstanden.
Aber auch æ, œ oder Æ sind Ligaturen – diese Art der Ligatur ist ebenfalls nicht optional, sondern als Teil der Verschriftlichung der jeweiligen Sprache unabdinglich.
Wann verwendet man keine Ligatur?
Ligaturen werden also gerne als Schmuck oder für ein harmonisches Schriftbild verwendet. Im Umkehrschluss sollten Sie darauf verzichten, wenn diese den Text weder harmonischer noch hübscher werden lassen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn:
- … die Ligatur innerhalb einer Worttrennung wäre
- … im Webdesign damit gearbeitet wird. Hier sorgen Ligaturen sowie Kerning-Informationen in der Schrift für längere Ladezeiten.
- … die Ligatur ein zusammengesetztes Wort verbinden würde (zum Beispiel: Stoffigel, Topflappen)
- … die Laufweite des Textes sichtbar verändert wäre und durch die Ligatur der Abstand zwischen den beteiligten Zeichen unverändert bliebe. Das bedeutet, bei gesperrtem Text müssen die Ligaturen aufgelöst werden. Bei der Verwendung einer gebrochenen Schrift bleiben diese bei ck, ch, tz und ß jedoch erhalten.
Laufweitenbedingte Deaktivierung der Ligaturen
Übrigens werden in InDesign ab einer bestimmten Laufweitenerhöhung keine Ligaturen mehr eingesetzt. Der Schwellenwert ist in der jeweiligen Schrift definiert – eine großartige Sache. Wer trotzdem unbedingt eine Ligatur benötigt, deaktiviert die Ligaturfunktion und setzt händisch die Ligatur aus der Glyphenpalette ein.